14.11.2013

Todeshusten (oder »Die dunkle Seite des Erkältungslöffels« [gaaanz alternativer Titel: »Jens Weißflog Mighty Ravendark«])

Nun isses ja in der heutigen Zeit (ja, die vielzitierte heutige Zeit, meine ich... Sie wissen schon: Fukushima, Wulff, Finanzkrise und nun auch noch olympische Winterspiele im Osterzgebirge) so eine Sache mit der Medizin. Auf der einen Seite wird sie immer ausgefeilter, erfolgreicher und natürlich teurer, auf der anderen Seite braucht man sich nur mal eine halbe Stunde in den Regen (besser: Schneeregen!) stellen, danach 12,5 Minuten Durchzug und schon ist man quasi unheilbar erkältet.

Habe es probiert, hat geklappt! Gestern gab es im Brustkorb nur unheimliche Geräusche zwischen 10.000 Orks greifen an! und Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!, heute früh erwachte ich allerdings mit einem Krächzen, welches mich zu der Überzeugung kommen lies, dass Immortal unmöglich die alleinigen Credits an »Battles In The North« für sich beanspruchen könnten, da ja nur ich allein so ein garstiges Blashyrkh! (Gesundheit!) herausgehustet haben konnte.


Immortal »Blashyrkh (Mighty Ravendark)« (liva@ Wacken, 2007)

Sei´s drum. Was tun?

Nach längerem Sinnen entscheide ich mich die ganze Bude nach allen Filmen umzupflügen, in denen Hannes Jaenicke oder wenigstens Jan Josef Liefers eine Rolle spielen. Finde aber nur einen einzigen. Verdammt. Als ich also aufgeregt auf das Wiedergabegerät starre, erscheinen mir schon nach der zweieinhalbten Flasche Hustensaft die Ratiopharm-Zwillinge, welche mich milde anlächeln. Während mein versucht nonchalantes »Moin, Mädels!« in einem blutgurgelndem Röchelnd erstickt, verwandelnd sie sich in zwei Raben, und entfleuchen durch das wegen Defekts geöffnete Fenster in Richtung Tschechien. So was hab ich noch nie erlebt, ich schwör!

Also, rein ins Spaßmobil, niedrige Gänge, aber Vollgas und den Beiden gefolgt. Kurz hinter der Grenze verschwinden die beiden pechschwarzen Tiere kurz im Nebel, nur um kurz darauf als ein, noch größerer und ehrlich gesagt auch etwas furchteinflößender Rabe wieder aufzutauchen. Der Rabe lässt sich auf einem Baumstumpf nieder und spricht zu mir, mit menschlicher Stimme: »Wer bist du?«. Das frage ich mich auch gerade, nicht minder, wo ich hier eigentlich gelandet bin.

Ich will ihm sagen, wer ich bin, aber nach öffnen des Sprechwerkzeuges ertönt nur ein übles »Yyyyyyrrrrkh!«. Daraufhin verwandelt sich der Rabe in, eingefleischte Tschechientouristen erahnen es bereits, Rübezahl, Geist der Berge, Knilch mit gebogenem Wanderstab und bemooster Tabakpfeife, kleinster Nenner der unbekannten Teiler und was weiß ich nicht noch alles! Potz! Blitz! Auf meinen geröcheltes Husten bezogen, meint er: »Du bist Abbath, ich kenne deine Stimme von mehreren Immortal-Alben!«. Ich verneine kopfschüttelnd, will ihm erst das Märchen auftischen, dass ich im Namen der Königin im Wald nach Gold suchen müsse und mein Proviant fast erschöpft sei, besinne mich aber eines besseren (man weiß, wie so was ausgehen kann) erkläre ihm also »...ich bin der Octa aus Dresden...«, berichte in Ehrfurcht wahrheitsgemäß vom Schneeregen, vom Durchzug, Jan Josef und den Ratiopharm-Zwillingen, welche wie auf Stichwort in Form von in allen je gesehenen Farben schillernden Schmetterlingen auf beiden Schultern des Berggeistes Platz nehmen. Das wird ja immer schöner!

Er nimmt seinen verwunschenen Wanderstab, zeigt auf meine Brust (für einen Moment glaube ich, es sei der Geist von Kurt Felix, der mich vor feixender Masse glauben machen will, er könne meinen Körper durchbohren!) und analysiert: »Vitaminreiche Ernährung, Bewegung an der frischen Luft und der Verzicht auf manches Genussmittel hätten dich verschonen können, mein Sohn, aber nun, da es ist wie es ist, will ich dir helfen. Schließlich sind die ersten Immortal-Scheiben nicht schlecht.« Er will mir helfen, auch wenn er offenbar nicht zuhört. Die Diagnose aber ist erschütternd...

Eingangs sollte ich vielleicht erwähnen, dass die böhmische Daumenformel je mehr Konsonanten am Anfang der Krankeit, desto gefährlicher der Verlauf schon immer angsteinflößend auf mich wirkte. Dementsprechend geht dem nächsten Prustanfall ein leicht beeidruckendes Zittern voraus, nein, es ist eher begleitend. Wie auch immer, der alte Mann spricht tatsächlich von Smrtelná Nemoc! Die Todeskrankheit, der Husten des Elends, der Schnupfen des Verderbens. Verdammte Axt! Warum ausgerechnet ich?



Darauf wirbelt er den Stock, welcher eigentlich nur ein unförmiger Ast ist, durch die Luft, worauf ein paar Gegenstände erscheinen. Er spricht: »Hier, mein Sohn, habe ich etwas fantastisches für dich, den Würfel mit nur vier Seiten, er wird dich heilen!«. Boah! Mal ganz ehrlich, das ist wohl bis jetzt den wenigsten von euch selbst widerfahren!

Während ich diesen Würfel hin und her wende, erklärt mir der Berggeist, was ich sehe. Ein ungeeichtes Becherovka-Becherchen, mit dessen Inhalt schon die Altvorderen ihre Leiden kurierten, ein Liter Motorenöl zur äußeren Anwendung, eine Jiří Korn-LP, auf der  der Maestro seine größten Hits für die international begeisterte Hörerschaft auf englisch vorträgt und einen Kater namens Elvis.

Bestückt mit dieser Gabe stehe ich bedröppelt ins Tatü schniefend mitten in der böhmischen Pampa. Nun gestatte er mir nur noch eine Frage: was macht er so nah an der Grenze, ist seine Heimat nicht eher das Riesengebirge, an dessen schneebedeckten Hängen demnächst die alpinen Skiwettkämpfe der Altenberger Winterspiele stattfinden werden? Und was hat er nun wirklich mit den Zwillingen? Anstatt zu antworten, richtet er seinen Wanderstab erneut auf mich (hüstel) und verschwindet in Form eines Rehs, die Zwillinge hinterher, sie fallen als Schneeflocken unter einen sich nähernden Winterreifen eines allradbetriebenen Škoda Yeti.

Wenig später wache ich auf.

Auf dem Plattenteller versucht der tonabnehmende Arm erfolglos die letzte Rille der Jiří Korn-Platte zu greifen, der Kater Elvis niesst mich an. Jetzt hat es den auch noch erwischt... Also reibe ich ihn mit dem Motorenöl ein, trinke den Rest aus dem Becherovka-Napf und harre der Dinge, die da passieren. Wo kommen die restlichen drei Hustensaftflaschen her, verdammt noch mal?

Rübezahl - gute Nacht und gute Besserung. Hoffen wir´s. ;o)

Die Magdalene Keibel Combo »Beggeist« (»Das gemeine Reitbein«, 1988)

4 Kommentare:

  1. Die Raben waren Odins Begleiter. Hugin und Munin. Rübezahl und der Rabengott sind nach dem neuesten Stand der Wissenschaft identisch. Aber das Motorenöl geht auf Lokis Konto. Du warst also den Göttern sehr nahe. Daraus läßt sich schließen, daß sie noch Großes mit dir vorhaben.

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    1. Und was mach ich da jetzt? Auf ein Zeichen warten? Ränzlein schnüren und schon mal zur Haltestelle laufen? Oder auf die Visitenkarten unter »Autor, Musiker, Filmemacher« kursiv »den Göttern nahe« drucken lassen? Als wäre die Todeskrankheit nicht schon Bürde genug...
      ...jungejunge, ich hab schon tierisch was am Start! ;o)

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    2. »Den Göttern nahe« würde ich nicht auf die Visitenkarte schreiben. Das klingt nach Komapatient und Hospiz. Sei einfach nett zu Raben und warte was passiert.

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    3. Warte, was passiert... also geh ich zur Haltestelle. Muss los. ;o)

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Vielen Dank für´s Gespräch! ;o)