Kommen wir heute also zum, hüstel, erotischsten Teil der Geschichte. Der Teil, welcher den digitalen ausklappbaren Hosentaschenkrimi eindeutig zum Schundroman macht. Aber, keine Frage, so ist das Leben, zwischen Wein, Gesang und Likör platzt die Zwischenmenschlichkeit schon mal ungefragt herein.
Außerdem sollte noch mal erwähnt werden, dass dieser Blog keine dunkelrosa Schrift auf hellrosa Untergrund verpasst kommt, auch wenn eine einzelne Lady feststellte, wie, ich zitiere, augenkrebserzeugend doch dieser grünweiße Text vor schwarzem Grund ist. Niemals niiie!!! Das hat was damit zu tun, dass wir so unheimlich dark sind und deshalb muss es auch so bleiben! ;o)
Nun aber...
Kapitel 10
Plastic Bertrand »Tout petit la planète (Version longue)« (»Tout petit la planète« 12'', 1978)
Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloß und sie übereinander her.
Sie waren sich einig. Zumindest über das, was beide jetzt fest eingeplant hatten.
Sie waren ausgehungert. Ausgehungert nach Sex, Sex, Sex, und noch mal Sex. Ausgehungert nach Nähe, Zärtlichkeit und Liebe.
Sie waren gierig auf die Nähe eines Menschen, bei dem sie sich zu Hause fühlen konnten. Ihr Entzug davon währte schon viel zu lange. Viel zu lange, um alles sofort und auf einmal zulassen zu können.
Sie waren erst am Anfang eines langen Weges, an den beide nicht denken wollten.
Sie rieben sich aneinander, darauf bedacht, möglichst viel von dem anderen auf der eigenen Haut zu spüren.
Sie atmeten sich ein, hörten den anderen und ihre eigene Stimme, die zur Vorsicht mahnte, hörten weg oder doch zu und schafften es dabei nicht mal bis auf ihr Bett, wie es die Konvention forderte.
Sie implodierten noch halb angezogen auf dem roten Teppich im Flur.
Sie schleiften sich über Sessel, Tische und zerstörten die Blumenbank am Fenster, bis eine Flasche Rotwein zur Pause rief. Die Zigarette danach war die Zigarette davor und sie brachen nach drei weiteren Flaschen Wein über dem endlich erreichten Bett völlig ausgelaugt und ausgepumpt zusammen.
Sie sprachen kein Wort miteinander, aber sie erzählten sich viel und spürten ein kleines Fünkchen Glück im Zimmer. Hoch oben und für beide unerreichbar.
Als sie schlief, sah er, daß die Scheiben im Fenster von ihrer Hitze beschlagen waren und der Mond verschwommen auf sie schien, als hätte er sie zugedeckt.
Er beschloß, heute den Tresor in Ruhe zu lassen. Ihr Mann war tatsächlich tot. Er würde trotzdem noch ein paar Tage Zeit haben, ehe seine Mörder hier waren. Im Moment wußte er sowieso nicht, was er machen sollte. Zu Frau M. überlaufen und ihr alles gestehen? Er war versucht, dies zu tun, aber das Risiko, daß sie ihn aus dem Rennen werfen würde, war zu groß. Nein, es mußte eine andere Lösung geben.
Die Flasche Wein neben dem Bett war leer und sein Schlafpegel noch nicht erreicht. In ihrer Küche entkorkte er sich einen neuen Beaujolais und musterte gedankenverloren deren Einrichtung. Gemütlich war sie. Nicht zu groß, aber groß genug für eine Sitzecke und einem Tisch, an welchem man zwanglos essen, reden und trinken konnte. Überall auf den Schränken standen Blumen und auf dem Herd ein paar Töpfe. Die Wände waren mit kleinen Bildern geschmückt. Darauf waren kitschige Blumen und kalligrafierte Sprüche.
Eines davon kannte er. Goethes Hexeneinmaleins. Ein Vers aus Faust mit dessen Hilfe das Hexlein einen Verjüngungstrunk braut. So gerechnet hatte womöglich der verstorbene Mann des Hauses seine Rechnungen geschrieben. Die Summe war immer gleich. Er mußte grinsen.
Die Flasche würde er noch austrinken, ein paar Zigaretten rauchen und dann an ihrer Seite wie ein Murmeltier schlafen, so tief und fest, wie schon lange nicht mehr. Morgen war ein neuer Tag und an dem sah die Welt vielleicht ganz anders aus. Er setzte sich an den Tisch, lehnte sich zurück und pustete den Rauch in kleinen Ringen durch die Luft.
An der Stirnseite des Tisches hing an der Wand eine große Pinnwand voll mit Ansichtskarten von jedem Ort der Welt, in denen schwerreiche Arschlöcher sich die Langeweile vertrieben. New York, St. Moritz, Dubai, St. Tropez und wie die Stätten des bunten Glitzers hießen.
Eine Karte errang seine Aufmerksamkeit. Sie war schwarz/weiß, auf alt gemacht und eigentlich eine Photographie. Sie zeigte eine lange Tafel und einem Mann, der gerade eine Rede zu halten schien. Am Tisch saßen dunkelgekleidete Männer und eine Frau. Den Mann kannte er gut und die Frau erkannte er wieder. Datiert wurde das Bild vor zwei Monaten und auf der Rückseite stand ein kurzer belangloser Text der mit den Worten endete: »Paß gut auf dich auf, mein Liebling.«
Er mußte sich wieder setzen. Sie waren schon hier. Hier in der Stadt. Die Killer, vor denen er die Dokumente schützen sollte.
Der Tresor war noch ungeöffnet. Die unberührte Staubschicht schimmerte matt im Licht seines Feuerzeugs und das Haar klemmte noch fest und an derselben Stelle.
Das hieß, daß sie den Tresor nicht öffnen konnten. Sie hatten die Zahlenkombination nicht, sonst wäre der Tresor jetzt leer. Ihren Ausflug heute Abend hätten sie genutzt, um ihn auszuräumen.
Das hieß aber auch, daß sein Kopf jetzt in der Schlinge hing. Der redehaltende Mann auf dem Photo war sein Klient, M.’s Mann. Die Frau neben ihm hatte ihn heute Mittag angefahren. Das war mit Sicherheit kein Zufall.
Sie war diejenige, die an die Dokumente wollte. Sie hatte man auf ihn angesetzt und sie wußte, wer er war und was er für eine Aufgabe hatte. Das hieß auch, daß sie wußte, daß nur noch er den Tresor öffnen konnte.
Beruhigend war diese Feststellung nicht gerade. Im Cafe nach dem Unfall kam sie ihm merkwürdig vertraut vor. Jetzt wußte er warum. Sie waren Kollegen. Er knipste das Licht aus und legte sich zu der M. Sie rückte dicht an ihn heran und begann wieder gleichmäßiger zu atmen.
Ihre Waffe war ein kurzläufiger, großkalibriger Revolver des Typs Nagant. Seine Konstruktion unterschied sich wesentlich von dem anderer Revolver. Er wurde gasdicht gebaut und konnte so wirksam mit einem Schalldämpfer ausgerüstet werden. Das Korn war abgefeilt, es störte nur und verfing sich im Stoff, wenn man die Pistole schnell aus einer Jacken- oder Manteltasche ziehen mußte und den Schalldämpfer konnte man einfach aufstecken und wieder abziehen.
Den Revolver ziehen, Schalldämpfer aufstecken, schießen, Schalldämpfer abziehen und beides wieder verschwinden lassen dauerte nur Sekunden. Sie war geübt und schnell darin.
Der Revolver war bei Killern die erste Wahl, weil er einfacher gebaut und damit zuverlässiger war als jede Pistole. Die leeren Patronenhülsen werden nicht ausgeworfen, wie bei einer Pistole und verbleiben somit nicht am Tatort. Der kurze Lauf und das fehlende Visier machten zwar einen gezielten Schuß über größere Distanzen unmöglich, aber dieser war gar nicht notwendig. Geschossen wurde nur aus unmittelbarer Nähe oder die Waffe entlud sich durch einen aufgesetzten Schuß direkt in den Körper des Opfers.
Die sieben Schuß, die ihre Patronenkammer faßte, waren dafür mehr als ausreichend. Geladen war die Waffe mit 7,62 x 38 mm Nagant Patronen. Diese beschleunigten die Kugel nicht auf Überschallgeschwindigkeit, wie sonst üblich, sondern sie beließen es bei 270 bis 290 m/s. Das hatte den Vorteil, daß der Schuß sich besonders leise aus der Waffe lösen konnte.
Der Schalldämpfer kann nur den Knall eindämmen, den die Treibladung bei ihrer Explosion verursacht. Aber nicht den, den die Kugel hervorruft, wenn sie durch die Schallmauer rauscht, da das erst passiert, wenn sie die Waffe verläßt. Ist sie langsamer als der Schall, unterbleibt der Knall.
Die fehlende kinetische Energie, die sich durch diese langsame Geschwindigkeit ergibt, gleicht die Kugel durch das große Kaliber aus. Ein aufgesetzter Schuß durch diese Waffe war nicht nur kaum hörbar, sondern er hinterließ auch viel Blut an der Wand hinter dem Opfer.
Sie steckte ihren Revolver wieder weg. Hier im Park wurde er nur naß und die sorgsam mit Öl gepflegte Brünierung würde braune Flecken bekommen.
Nur mühsam konnte sie ihre Ungeduld unterdrücken. Am liebsten wäre sie jetzt wieder in die Wohnung der M. eingedrungen und hätte die beiden im Schlaf überrascht. Unter vorgezogener Waffe wäre es vielleicht möglich, den Joker zu überreden, für sie den Tresor zu öffnen. Zwei gegen Einen und sie gegen den Joker. Nein, das Risiko zu unterliegen mußte sie jetzt noch nicht eingehen. Little Big Joe Black hatte ihn nicht umsonst ausgewählt, um seine Unterlagen zu schützen.
Der Mann war ihr sowieso unheimlich. Sie hatte den Nachmittag genutzt, um etwas mehr über ihn zu erfahren. Das was sie ermitteln konnte, paßte überhaupt nicht auf den Kerl da oben. Dr. Jekyll und Mr. Hyde oder Mr. Joker. Im Moment war er wohl Mr. Hyde. Ihre Nase lief und die Nässe und Kälte konnte sie nicht länger ignorieren. Sie mußte sich jetzt zurückziehen und wählte dabei den Weg durch den Park, auf dem die Bäume durch das helle Mondlicht einen Schatten warfen. So war sie durch zufällige Beobachter unsichtbar.
Morgen würde sie dem Joker über dem Weg laufen. Ganz wohl war ihr nicht bei dem Gedanken. Aber sie hatte keine Wahl. Den Schlüssel zu einer besseren Welt hatte er. Daß er von ihr nichts wußte, beruhigte sie etwas. So konnte sie sich unentdeckt zurückziehen, wenn sie annehmen mußte, daß dieser Weg zu nichts führte und sie es später, auf die harte Tour, durchziehen mußte.
Der Mensch war ein Gewohnheitstier und er war da sicher keine Ausnahme. Wo und wann sie ihn sehen würde, lag auf der Hand.
Iron Maiden »Be Quick Or Be Dead« (»Fear Of The Dark«, 1992)
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Die Lady hat nur bedingt recht. Der ultradarke Oberhammer wäre eine weiße, schmallaufende serifenlose Linearantiqua, kompress gesetzt auf schwarzen Grund. Meine Empfehlung dazu wäre die Futura Light condensed oblique. Das wäre die Metastasenschleuder an sich.
AntwortenLöschenAber was solls. Längere Texte sollte man sich eh ausdrucken oder eben etwas neue deutsche Härte zeigen. Insofern ist das Bloglayout völlig in Ordnung.
Plastic Bertrand ist nun also »verbrannt«. Gut, ich hatte gestern Abend überlegt, wen ich noch verwursten kann. Dabei kam mir der Knabe in den Sinn. Da ich aber nur ein Lied von ihm kenne und dieses als Unfug abtue, verwarf ich den Gedanken wieder.*gg*
Erotik im Blog ist ein vieldiskutiertes Thema. Was kann sie? und was darf sie? Ich denke, wir haben uns dem Thema vorsichtig genähert. Frauen ab 20 wird der Artikel nicht vom Hocker reißen und bei denen jenseits der 30 nur ein müdes Lächeln hervorrufen. Damit sind wir verantwortungsvoll mit der Problematik umgegangen und haben gezeigt, daß wir auch gewillt sind auf weibliche Bedürfnisse einzugehen. Inwieweit wir diese noch konkretisieren müssen ist noch unklar aber wir können darüber ja abstimmen lassen.
Und dabei ist Plastic Betrand ein weibliches Bedürfnis. Altersübergereifend. Wenn du den wirklich im Kopf hattest, wird es nach der Doors-Nummer sachte unheimlig... ;o)
AntwortenLöschenSo viele internationale Künstler kenne ich nicht. Schon gar nicht mit Namen. Aber dieser Plastedings schon. Warum auch immer der bei mir rumspukte, in den Blog hat er es nicht geschafft.
AntwortenLöschenPlastebernd IST Kulturgut! Ich will ja nicht jedes mal den Weltkulturerbetitel fordern, aber er hätte ihn sehr wohl verdient. Schon, weil er auch noch Belgier ist, hehe...
AntwortenLöschenOder das mit den Mayas trifft doch zu und wir steuern dem Ende entgegen. Da ist dann alles erlaubt...
AntwortenLöschenGrüßle Manu
Das hat schon zu oft gestimmt. ;o)
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