Wie das so ist: wer meckert, wird umgehend eingespannt und so danken wir diesmal Lizzard fürs Gegenlesen dieses Kapitels. Ihr kritisches Auge peitschte jeden Buchstaben und jedes Komma einzeln aus. Und wer jetzt noch Fehler findet... Ihr wisst ja, an wen ihr euch jetzt wenden solltet, hehe...
Octapolis & Til_o. »Madame M.« (2011)
Kapitel 3
Eis. Das müßte helfen. Sie fischte sich den Eiswürfel aus dem Pernodglas und drückte ihn sich in den Nacken. Irgendwo hatte sie gelesen, daß ein Kältereiz hinten am Hals gegen Nasenbluten helfen soll. Den Kopf nach hinten gebeugt, schielte sie auf ihren Rechner.
Warum antwortete er nicht? Wo trieb er sich herum? Wer er war, wußte sie nun. Ein wenig enttäuscht war sie, daß sie ihn so schnell gefunden hatte. Er war echt. Zumindest hatte er nicht gelogen, was seinen Namen und seine Tätigkeit betraf.
Aber, was hatte sie erwartet? Einen Schwindler? Einen Ganoven, der sie um ihr Geld bringen will? Nein, davon kannte sie inzwischen genug, und sie hatte alle durchschaut, auch ohne ihnen hinterherschnüffeln zu müssen. Ihr Mißtrauen würde sie irgendwann zernagen, so wie alle Frauen in ihrem Alter, wenn es um Männer ging. Wer weiß, warum er nicht antwortet. Wahrscheinlich war der schon bei der Nächsten. Bestimmt lachen sie schon über sie. Sie, die alte Schachtel, was die sich einbildete!
Nach dem vierten Glas Pernod gewann die Vernunft wieder die Oberhand. Sie war wütend auf sich selbst. Über ihre Eifersucht, für die es noch gar keinen Grund gab – was war schon passiert? Nichts! Über ihr Mißtrauen, welches sie dazu veranlaßte, diese völlig blödsinnige Panik-Mail an ihn zu verfassen, und darüber, daß sie immer noch ungeduscht und halb flennend hier herumsaß.
Als sie beschloß, dem nach dem fünften Glas ein Ende zu bereiten, meldete ihr E-Mail Postfach einen Eingang: »Stell den Pernod weg und geh duschen. Ich hole dich 20.00 Uhr ab. Sag den Bullen Bescheid. Nicht, das sie dich vermissen.«
Das Blut schoß ihr in den Kopf und dann durch die Nase.
Zu spät! Als er das Fast Food Restaurant verließ, war er zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um seiner Umgebung die ihm gewohnte, nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
»Oh mein Gott! Können sie sprechen? Hallo!?« Eine Frau um die Dreißig beugte sich über ihn.
Konnte er sprechen? »Ich ... äh ...« Ja, er konnte es.
»Es tut mir so leid, es ging alles so schnell. Ich werde ihnen einen Arzt rufen.«
»Nicht nötig!« sagte er, nachdem er alle Gliedmaßen einzeln angespannt und wieder gelockert hatte. Allein sein linkes Bein schmerzte sehr, aber ein Krankenhausaufenthalt war das letzte, was er jetzt brauchte. Außerdem haßte er Krankenhäuser. Als Kind war er einmal eingeliefert worden, nachdem er bei dem Versuch, einen Baum hinaufzuklettern, abgestürzt war und etliche Blessuren davongetragen hatte.
Im Krankenzimmer hatte neben ihm ein alter Mann gelegen, welcher permanent vor Schmerzen stöhnte. Dies war ihm ewig im Gedächtnis geblieben, ein unangenehmes Kindheitserlebnis, welches er prinzipiell mit Krankenhäusern assoziierte.
Er richtete sich langsam auf, ging ein paar Schritte, erspähte ein paar Meter weiter seinen scheinbar unversehrten Laptop, nahm ihn hastig an sich und war soweit zufrieden. »Danke, es geht schon.« ließ er die Dame wissen, ohne sie weiter anzusehen.
Ihr Nummernschild hatte er sich schon vorhin eingeprägt, als sie ausstieg.
Er war es. Sie hatte ihn gestern Abend in der Dunkelheit nicht genau erkennen können und war ihm gefolgt. Er konnte sie nicht bemerken, als sie ihm von Madam M.s Hauseingang aus, parallel zur Straße, durch den Park folgte. Dieser war schon gänzlich in Dunkelheit gehüllt und locker angepflanzte Sträucher versperrten die Sicht von der Straße in ihn hinein.
Daß er an der Metrostation ein Taxi nehmen würde, hatte sie vorausgesehen und ihren Wagen dort geparkt. Sie hätte sich nicht anders verhalten. Ihm dann mit dem Auto zu folgen, war zu riskant. Er hätte sie bemerkt.
Sie beschloß, alles auf eine Karte zu setzen und gleich zu seiner Pension zu fahren. Wenn er der Joker war, der gerade zu Besuch bei Madame M. weilte, würde er dort auftauchen. Er konnte nicht ahnen, daß sich die Ereignisse überschlagen hatten und man von ihm wußte. Für einen Wohnungswechsel hatte er also keinen Grund.
Ihr war nur unklar, was sie jetzt tun sollte. Ihn zu liquidieren war das Einfachste, aber auch das Dümmste, was sie tun konnte. Sie mußte seine Bekanntschaft suchen. Vielleicht ganz unverfänglich oder besser so radikal, daß er gar nicht auf die Idee käme, daß sie auf ihn angesetzt worden war. Lange würde sie ihn nicht täuschen können, dafür war er zu lange im Geschäft. Aber das war egal, wenn sie ihn vorher auf ihre Seite ziehen konnte. Ob mit Geld, Sex oder Erpressung.
Jeder hat seine schwache Stelle, seine dunkle Seite. Man muß sie nur finden und für sich nutzen können.
Als sie schräg vor seiner Pension, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, einparkte, war von ihm noch nichts zu sehen. Er würde sich ein paar Straßen weiter absetzen lassen und hierher laufen. Solange konnte sie hier im Wagen unbemerkt warten. Um diese Zeit waren selbst die härtesten Trinker wieder zu Hause.
Sie fand, daß er in einer lausigen Gegend wohnte und fragte sich, warum er das tat. Am Geld konnte es nicht liegen. Seine Auftraggeber saßen in den Staaten in den Chefsesseln. Allesamt gehörten sie zum Geldadel europäischen Ursprungs neueren Datums. Jeder von ihnen hatte irgendwelchen Dreck am Stecken und war in halblegale Geschäfte verwickelt. Sie brauchten in Europa einen Mann vor Ort, der hier und da nach dem Rechten schaute und gegebenenfalls in ihrem Sinne handelte. Einer, von dem keiner wußte, daß es ihn überhaupt gab.
Für ihre Auftraggeber mußte es ein Schock gewesen sein, als sie vom Joker erfuhren. Sie selbst ereilte die Nachricht, als sie drauf und dran war, in seine Falle zu laufen.
Einen Wächter kann man umgehen – wenn man weiß, daß es ihn gibt. Und das war er in diesem Fall. Ein Wächter.
Als er um die Ecke bog, erkannte sie ihn an seinem Gang und seiner Körperhaltung. Zumindest war das der Mann, dem sie gefolgt war. In ihrem Wagen war sie vor seinen Blicken sicher. Er schlenderte auf sie zu und bog dann zum Hauseingang der Pension ab. Den Richtungswechsel nutzte er, um einen gleichgültigen Blick über die parkenden Autos zu werfen. Sicher wußte er genau, welches Auto hierhergehörte.
Gestern Abend hatte sie sich für eine radikale Variante entschieden, um in sein Leben zu treten. Für ein behutsames Herantasten, wie es eher ratsam war, würde ihr keine Zeit mehr bleiben.
Als sie nun dazu ansetzte, ihn anzufahren, zögerte sie keine Sekunde. Er würde es unbeschadet überstehen. Und er reagierte, wie sie es erwartet hatte. Sein erster Blick galt ihr und ihrem Wagen, und er registrierte jedes Detail, welches dazu dienen könnte, sie später zu identifizieren. Erst dann überzeugte er sich davon, keinen großen Schaden davongetragen zu haben.
Sie war zufrieden. Jetzt war es leicht, ihm näher zu kommen...
The Kinks »Dead End Street« (gleichnamige Single, 1966)
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Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, was du an Vidschos ausgräbst. Ich schinde mir da einen ab ...
AntwortenLöschenja die mucke is echt schick. wir sehn uns nicht bei volbeat aber ich wünsche euch sehr viel spaß! lasst euch nix mopsen, wir haben damit schon in chemnitz erfahrung gemacht...
AntwortenLöschen@t.: gib einfach mal "kinks dead end street" ein, da findestes auch! ;o)
AntwortenLöschen@p.: danke! soll mal einer versuchen, mir was zu mopsen, dann linksrechtsklitschko! ;o)
Möchte mich mal kurz zurück melden, Herr Kollege. Der Familienarbeitseinsatz im Land der Bauern, Hopfenbauern und Weißbiertrinkern war so anstrengend, dass ich keine Zeit zum rein schauen gehabt habe. Nun, ja, es wird nachgeholt. Rattenkampf. Hoi, ihr habt ja fleißig geschrieben. Ein paar Worte zum Kinks Oldie: Die waren einst in den 60ern mit dem Titel im Beat Club von Radio Bremen. Dolle Zeit, damals. Und live hab ich se auch gesehen.
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