31.10.2011

Rattenkampf, Kapitel 2

Noch was vorweg: Scheinbar bremst sich der Seitenaufbau dieses Blogs bei einigen etwas selbst aus. Keine Ahnung warum, wenn´s nicht geht, besucht einfach eure Nachbarn, vielleicht geht´s dort und wenn nicht, haben die vielleicht Verwandte und so weiter. Aber bitte klingelt nicht bei mir (obwohl es hier geht), hehe... So denne, viele Späße mit dem zweiten Teil! ;o)


Secret Service »If I Try« (»Cutting Corners«, 1982)

Kapitel 2

Er verließ die Pension erst kurz vor Mittag, das Essen, was man hier anbot war nicht gerade das, wonach ihm der Sinn stand. Oder überhaupt für all jene ungeeignet, die ein Mindestmaß an Ästhetik und Sinn für Grundhygiene an den Tag legten, wie er bereits vor Tagen festgestellt hatte.
So griff er sich seinen Laptop, eine fast leere Schachtel Zigaretten und lief zum Fast Food Restaurant um die Ecke. Vorher suchte er noch einen Tabak- und Spirituosenhandel auf.

»Wie immer?« fragte Dimitri, ein eingewanderter Ukrainer, der schon seit Ewigkeiten hier lebte. »Wie immer!« antwortete er und erhielt umgehend eine kleine Plastiktüte mit zwei Schachteln Zigaretten und einer kleinen Flasche Wodka. Von diesem gönnte er sich noch vor der ersten Mahlzeit des Tages einen tiefen Schluck.
Dimitris Laden strömte etwas Anheimelndes aus, während seinen Besitzer eher eine gegenteilige Aura umgab. Zumindest auf den ersten Blick. Im Grunde strahlte er auch eine gewisse Väterlichkeit aus.
Das Schicksal hatte ihm wohl auch übel mitgespielt. Kurz nach seiner Umsiedlung aus der Ukraine erhängte sich seine damalige Frau. Zumindest erzählte man sich dies, gekannt hat sie wohl niemand. Böse Zungen behaupteten sogar, Dimitri hätte sie durch wechselnde Liebschaften in den Suizid getrieben.
Als er später ein junges Ding heiratete, locker zwanzig Jahre jünger, als er selbst, schien er sein Glück gefunden zu haben. Irgendwann wurde seine junge Gattin aber von einem Zug erfaßt, die Umstände wurden nie komplett aufgeklärt. Seit dem fristete er ein Leben als Witwer, man sagte ihm aber trotz mittlerweile gesetzterem Alters zahlreiche Affären nach.


Der McDonalds war nur mäßig gefüllt, der Burger zum Mittag pappig wie immer, aber besser als nichts, da weiß man, was man hat. Während dessen klappte er seinen Computer auf und begann seine Mails durchzusehen.
Nichts ungewöhnliches, aber dann doch, Nachricht acht von neun: »Danke für gestern Abend. Wir können uns nicht mehr treffen. Die Bullen beobachten mich. Kuß, M.«. Er sah den Bildschirm fragend an, doch dieser reagierte mit stoischer Gleichgültigkeit nicht. Nicht mehr treffen ... Polizei?
Und wo zum Teufel hatte sie überhaupt seine E-Mailadresse her? Hastig schaute er sich um, obwohl es ihm momentan egal war, ob ihn jemand beobachtet, es war mehr ein Reflex der Gewohnheit und nahm einen weiteren großen Schluck aus seiner Flasche.

Das launig vor sich hin klingende Radioprogramm nahm sie nicht weiter wahr, bis irgendwann die sonore Stimme des Nachrichtensprechers einsetzte. Politik und Wetter, um diese Zeit? Sie schaltete das Radio leiser, ein häßlicher Plastikkasten, wie man ihn nur einmal im Leben kauft, ein typisches Sonderangebot eben.
Als sie ihr Glas ausspülen wollte, erschrak sie, denn Blut tropfte, nein, es lief aus ihrer Nase in das Spülbecken und gerann in seltsamen Mustern. Hatte sie schon mal im Leben unter Nasenbluten gelitten? Sie vermochte sich nicht zu erinnern, ebenso wie sie sich kaum an irgend etwas erinnern wollte.
»Was soll’s...« sagte sie zu ihrem Pernodglas, wischte sich mit der linken Hand das Blut eher unter der Nase breit, als ab und goß mit der rechten Hand einen weiteren Doppelten ein.

Schnell beruhigte er sich wieder. Jetzt bloß nicht durchdrehen und paranoid werden. Die leere Flasche versteckte er neben dem Tischbein. In dieser Gegend trank zwar jeder, und man tat gut daran, wenigstens so zu tun, als wenn man dazu gehören würde, um sich ihrer Trinkersolidarität im gegebenen Fall gewiß zu sein, aber jetzt, wo er hellwach sein müßte, beschlich ihm eine leichte Scham.
Ihm wurde auch nicht wohler, als der Alkohol seine Wirkung tat und er klarer denken konnte. Er war ein Profi, schalt er sich. Profis erledigen ihren Job oder sie saufen professionell. Beides zusammen geht nicht.
Er mußte an seinen Meister denken. Der würde sich im Grabe herumdrehen, könnte er ihn so sehen. So versoffen. Der hätte an dem Wodka nur genippt, um nach Alkohol zu riechen und den Rest der Flasche in den Blumentopf dort an der Wand gekippt. Der war viel disziplinierter und härter zu sich selbst. Deswegen ist ihm auch niemand jemals auf die Schliche gekommen.
So wie sein Lehrer wollte er auch sterben. Uralt, friedlich und im eigenem Bett. Um ihn herum ein eigenes Haus und eine zufriedene 30 Jahre jüngere Frau, die von seinem Erbe sorglos bis an das Ende ihrer Tage leben konnte.
Ob er das jemals schaffen würde, stand auf einem anderen Blatt. Von seinen Aufträgen lebte er nicht schlecht, auch wenn er es nicht zur Schau trug. Nur das große, das ganz große Geld blieb ihm versagt.
Seine Mailadresse war kein Geheimnis. Die stand im örtlichen Telefonbuch, gleich nach seiner Telefonnummer.
Ihn beunruhigte nur die Geschwindigkeit, mit der sie seine Identität überprüft hatte. War sie mißtrauisch geworden? Hatte er etwas übersehen? Undenkbar. Gut, sie war reich und nicht dumm. Es gab genug Männer, die darauf aus waren, sich ein Stück von ihrem Kuchen abzuschneiden. Dem wäre sie sicher nicht abgeneigt, wenn sie eine entsprechende Gegenleistung dafür bekommen würde.
Sollte er diese Schiene fahren? Vielleicht wäre dies von Vorteil. Als verflossener Liebhaber könnte er jederzeit wieder aus ihrem Leben verschwinden ohne groß aufzufallen. Er beschloß, diese Variante als Plan B zu nehmen, wenn sich Plan A nicht so schnell durchführen ließ.
Sie wußte jetzt, wer er war und ihre Zweifel dürften schnell verfliegen. Seine Strategie, nie unter falschen Namen aufzutreten, wird sich wieder bewähren.
Um gut lügen zu können, braucht man ein gutes Gedächtnis. Noch besser ist es, wenn man immer dicht bei der Wahrheit bleibt. Bei einer aufgeflogenen falschen Identität käme er in Erklärungsnotstand und so konnte er sich irgendwie herausreden. Bis jetzt, kam er noch nicht in diese Verlegenheit.
Maliziös lächelnd beugte er sich über seinen Laptop. Bullen? So ein Quatsch. Die hätte er bemerkt. Auf seinen Instinkt konnte er sich verlassen.
Er schaute auf die Uhr des Rechners. Sie müßte jetzt ein leichtes Nasenbluten haben...


Burzum »Valen« (»Fallen«, 2011)

...weiter in ein paar Tagen!

2 Kommentare:

Vielen Dank für´s Gespräch! ;o)