04.08.2011

Hit the road, Jack!

Auf etlichen Exkursionen durch die Natur- und Kulturgüter der näheren und weiteren Umgebung stellten der Kollege, militanter Meteorologe, Weinkenner, Kultur-, Sports- und Naturfreund (um nur ausgewählte seiner zahlreichen Studienfelder und Spezialstrecken zu nennen) Minimi und meine Wenigkeit Studien zu dem an, was der Versandhäusler und Marketingfuchs gern als Outdooroutfits (potzblitz: klingt wie ein Dorf in den Niederlanden!) bezeichnet, also atmungsaktive Jacken, reißfeste Rucksäcke, rutschfeste Mützen und krisenfeste Schuhe, an. Für alle, die sich dahingehend fortbilden wollen, empfehle ich Weihnachtsmärkte jeglicher Art, wo man schon, sobald das Auge geschult genug ist, anhand des durchschnittlichen Glühweinpreises Rückschlüsse auf die Preisklasse der getragenen Marken ziehen kann. Genaueres entnehmen Sie dem demnächst erscheinenden Band »Einfache Versuchsreihen, selbst gemacht« (voraussichtliche, dreiteilige Verfilmung für das ZDF unter der Regie von Helmut »Le Frisur« Dietl; Veronica Ferres spielt Heino Ferch).

Auch sind wir mittlerweile in der Lage schon von weitem das 2009er Jack Wolfskin-Jackenmodell vom 2010er Schöffel-Anorak nur anhand der Abstufung des vernähten Rottons zu unterscheiden. Man entwickelt auch ein Gefühl für eine gewisse Gesamtoutdoormodeästhetik (liegt an der belgischen Grenze). So geht es zum Beispiel gar nicht, zur schwarzblauen North Face-Windjacke die olivgrüne Wolfskin-Mütze zu tragen. Sieht auch farblich scheisse aus. Oder den 200-Euro-Meindl-Wanderschuh zur 5-Euro-Tinsulate-Mütze vom Discounterkarussell, was durchaus als politsches Statement eingeordnet werden kann, jedoch lange nicht als Ausrde gilt. Es gibt Sachen, die passen nicht. Man will ja schließlich kein Rotkraut zur Auster und keinen, um den sprichwörtlichen roten Faden wieder aufzunehmen, Glühwein zum Schwedeneisbecher. Der Beelzebub steckt wie immer im Detail, die Fashionpolizei ist stets auf Streife!

Genial und deshalb an dieser Stelle erwähnenswert sind Paare, gern älteren Baujahres, die den umgekehrten Partnerlook der selben Marke tragen. Sie schwarzrot, er rotschwarz, beide Salewa. Oder eine bestimmte Gruppe von Leuten, in karminroten Schöffel-Jacken, die gern am Ökoholunderglühweissweinstand zu finden sind. Erzählen viel, vertragen wenig.

Gesehen werden ist alles!

Warum grabe ich dieses winterlich angehauchte Thema gerade im Sommer aus? Während des eigenen Urlaubs, ganau dort, wo sich der Kuckuck zum Uhu macht, begegnete ich unlängst einer noch seltsameren Zurschaustellung eines solchen Leibchens. Während der Verfasser dieser Zeilen, nur aus einem Mindestmaß an Anstand und auch um der völligen Verbrennung durch die niederprasselnden Sonne bei knapp dreißig Grad im Schatten zu engehen, die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale durch ein paar fetzige Badehosen (oder wie es ein hier nicht namentlcih genannter Freizeitphilosoph einmal formulierte: untenrum kurzärmlig) und eine noch fetzigere Obertrikotage verhüllt, durch die Binnengewässer dümpelt, nähert sich entgegenkommend ein Herr im Kanu. Dieser trägt eine Mütze, was, wenn man ohnehin nichts am oder im Kopf zu verschenken hat, in der prallen Sonne durchaus nachzuvollziehen ist und sicher auch von drei von vier befragten Ärzten empfohlen wird. Seinen Korpus hat er allerdings in eine Jack Wolfskin-Windjacke (vemutlich aus der 2010er Kollektion) gepackt und diese bis zum Kinn zugezogen. Hut ab! Falls Onkel Jack nicht neuerdings Eiswürfel in die Achselstücken eingearbeitet hat, will man sich den darunter vor sich hin siedenden Rumpf nicht vorstellen.

Wir grüßen vorbeischippernd einander, so unter Binnenschiffern und Modekennern. Nach zweihundert Metern drehe ich mich noch mal um. Sein Wasserfahrzeug ist mittlerweile nur noch ein Punkt am Horizont, die gelbe Tatze auf der rechten Schulter ist aber noch gestochen scharf zu erkennen.


The Beatles »I Am The Walrus« (»Magical Mystery Tour«, 1967)

4 Kommentare:

  1. Sag mal Octa: Hast du heute im Stau gestanden? *g* Zumindest hat dich das sonst zu brillianten Texten beflügelt.

    Mal davon abgesehen, daß ich mit den Klamottenmarken nichts anfangen kann, habe ich ein paar Fachbegriffe dazugelernt. Discounterkarussell und so. Aber was macht ein militanter Meterologe? In meinem Freundeskreis zieht nur ein militanter Astronom seine Bahnen. Der kann einem prima erklären, wie viele Lichtjahre man selbst von der Erde entfernt ist oder was so alles vom Himmel fallen kann.
    Bei Weinkennern werde ich allerdings militant. Egal.
    So, ich werde jetzt abstimmen lassen, ob ich deinen Text hier laut vortragen soll oder jede selbst lesen möchte.

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  2. - Weinkenner und Allergiker geben sich die Klinke in die Hand.

    - Minimi ist der einzige, der beim leichtesten Schlag auf den Hinterkopf das komplette Wetter ausspuckt, inklusive Wolkenradar und so. Auch ungefragt, haha... Daher halte ich ihn für militant meteoroligisch veranlagt, er hält mich anderweitig für einen Arsch.

    - Kein Stau. Der Text entstand dank der modernen Technik im Urlaub. Hab ich schon mal was mit Stau begründet? Wenn ja, dann vergessen oder verdrängt.

    - Discounterkarussell ist so was, wo die preisgesenkte Tinsulate-Mütze dran baumelt um sich mit erneuten 666% Rabat zur Hure zu machen.

    Hoffe, ich konnte aufklären. Dir, mein digitaler Kamerad, wünsche ich ein schönes Wochenende! Werde selbst mit dem Kollegen Minimi morgen per Bahn (politisches Zeichen!) das Osterzgebirge verunsichern. Sollte es schiffen (so viel volkstümliche Ausdrucksweise sei gestattet) fahren wir unsere Gruppenkarte (wir merken uns: Gruppe=zwei Personen+soviele, wie mit wollen) solange ab, wie die Bahnhofshops Getärnke führen... ;o)

    Und das eher nackig, als Jack! ;o)

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  3. Da kenne ich auch so eine Frau. Wenn ich die antipp, plappert das Radar auch los. Nun denn: Erholsames Wochenende und ordentlich Input zum Schmierfinken!

    Ich reich dich mal an Frau Rot-Weiß-Erfurt weiter:

    Zwickelsession unterbrochen, um dem Octa eine regensichere und kullinarisch empfehlenswerte Ausflugsalternative zu unterbreiten: Nicht Gruppenkarte, sondern Elbe-Labe-Ticket. Kleine Rundfahrt durchs böhmische Elbtal mit Zielpunkt in Usti. Aus dem Bahnhof raus, links durch die Gasse, einmal rechts und das flüssig goldene Glück ist nur noch eine Eingangstür entfernt. Es findet sich im Hotel und Brauerei Na Rychtě. Da wird man ganz schnell zum Wiederholungstäter.

    Wo und in welcher Entfernung sich die böhmische Lebensendhaltestelle für die monochromen Erinnerungsfotostaffel zur Abrundung des Ausflugserlebnisses befindet, kann ich dir leider nicht sagen. Aber du wirst schön fündig werden. Schönes Wochenende!

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  4. Waidmännischen Dank! ...uuuund weg! ;o)

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Vielen Dank für´s Gespräch! ;o)